Ursprung von gemeinsamständig

gemeinsamständig als das “gemeinsam selbstständig sein” begleitet die Effinger Community schon seit den frühen Anfängen (siehe auch Blogpost zu diesem Thema von Marco Jakob am 14. Februar 2015 sowie von Matthias Tobler am 07. März 2015). Der Begriff, den wir aus dem Buch "Thank God its Monday" von Darkhorse Berlin übernommen haben, gehört seit dann zu unserem Wortschatz und Experimentierfeld. Was motiviert uns dazu, die grösst mögliche Freiheit und Sicherheit zu suchen. Im Blogpost vom 7. März formulierte ich es wie folgt:

"Wir haben uns für die Selbständigkeit entschieden, aber nicht dafür, dass man alles selber und ständig machen muss. Wir fühlen uns nicht als heldenhafte Einzelkämpfer, welche im kleinen Kämmerchen einsam die to-do Listen abarbeiten. Wir möchten gerne fokussiert an unseren Aufgaben arbeiten, vermissen aber die Abwechslung und Vielfalt. Wir nennen uns zwar Selbständige, fühlen uns aber oft nicht so. Wir möchten uns ergänzen lassen, in Kooperation arbeiten, gemeinschaftliche Solidarität leben und die Sicherheit einer Community geniessen."

In unterschiedlichen Konstellationen wurden innerhalb der Effinger Community Projekte umgesetzt, welche als "gemeinsamständig" bezeichnet werden können:

  • gemeinsame Grundsätze und Community Verständnis erarbeitet
  • einander Zeit und Vertrauen geschenkt um uns besser kennen zu lernen
  • Kontakte und Know-how weitergegeben
  • Kredite vergeben um hohe Zinsen zu vermeiden
  • Aufträge vermittelt oder gemeinsam ausgeführt
  • Muster der Kollaboration entwickelt und öffentlich geteilt
  • Grundeinkommen bezahlt um Innovation und Kreativität zu fördern
  • miteinander Firmen gegründet um Kräfte zu bündeln
  • Personen beim Start ihrer Selbstständigkeit ermutigt und getragen
  • Projekte umgesetzt welche in Kaffeepausen “erspunnen” wurden
  • Einnahmen nicht nach geleistetem Einsatz sondern nach Bedürfnis verteilt
  • gemeinsam den Effinger von einem auf vier Stockwerke ausgebaut 
  • und mehr… 

Vieles wurde erst möglich, weil wir uns gerade zu Beginn des Effinger sehr intensiv mit unseren Grundsätzen wie z.B. Grosszügigkeit, Vertrauen, Dienen etc. auseinandergesetzt haben und viele zu Beginn ihrer Selbstständigkeit auf diese Art des Miteinander angewiesen waren. 

Chance für gemeinsamständig

In der aktuellen Corona Zeit erhält die Diskussionen rund um gemeinsamständig frischen Auftrieb und neue Ideen und Projekte entstehen. Was ist geschehen? Plötzlich kommt zur Freude an der Kollaboration auch eine potenzielle Notwendigkeit der Solidarität untereinander hinzu. Dies weckt Erinnerungen an die Diskussionen zu Beginn des Effingers. Liegt darin gerade eine Chance? Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx ordnet Corona als ein historischer Moment ein, in dem die Zukunft ihre Richtung ändert. Er schreibt dazu:

“Könnte es sein, dass das Virus unser Leben in eine Richtung geändert hat, in die es sich sowieso verändern wollte?” (Quelle: Zukunftsinstitut). 

Zukunft von gemeinsamständig

Wie können wir also von der Vorsicht aufgrund der potenziellen Ansteckung zu einer Vor-aus-sicht auf eine neue Art des gemeinsamen Wirtschaftens kommen. Wie tiefgreifend wird diese Veränderung sein? Sie ist - auf uns bezogen - mutmasslich von zwei Faktoren abhängig. 

Erstens von der Not, der wir uns stellen, und der daraus geforderten Solidarität und erlebten Sinnhaftigkeit. Was ist der Sinn von gemeinsamständig?

Gewinnt die Idee von gemeinsamständig vielleicht erst Kraft, wenn es nicht nur aus Freude an kollaborativem Arbeiten geschieht und auch nicht nur eine “Versicherungslösung” für schwierige Zeiten innerhalb der Community ist? Würde der Sinn vielleicht darin liegen, dass wir gemeinsamständig vor allem in den Dienst an Menschen stellen, welche noch stärker von der Not betroffen sind als wir?

In den Effinger Grundsätzen zitieren wir die Präambel der Schweizerischen Bundesverfassung wie folgt: “Die Stärke des Volkes misst sich am Wohl der Schwachen.” Ich glaube wir als Community würden in noch unbekannte Stärke und Wirkung kommen, wenn es bei gemeinsamständig nicht nur um uns selber geht. 

Und die Veränderung der Zusammenarbeit ist davon abhängig, ob wir neue Tiefen der persönlichen und gemeinschaftliche Transformation zulassen.

Die Frage “Wie wollen wir zusammenarbeiten” folgt auf die Fragen “wer bin ich und was für Hoffnungen, Ängste, Potenzial habe ich” sowie “Wer sind wir füreinander und was sind unsere verbindenden Werte”. Dazu braucht es wieder eine neue Auseinandersetzung mit sich selber, miteinander und unseren Grundsätzen. 

So würde gemeinsamständig sowohl einen Vertrauensraum und gemeinsame Wertebasis zwischen den Beteiligen sowie auch ein vielfältiges Experimentierfeld öffnen, um verschiedenste Ideen und Projekte mit klarer Sinnhaftigkeit zu ermöglichen. 

Mein Fazit: Um neue Tiefen oder Höhen der Gemeinsamständigkeit zu erkunden, müssen die Fragen in der richtigen Reihenfolge gestellt werden. Es beginnt nicht mit "was machen wir" oder "wie machen wir es" sondern mit "Warum machen wir es" sowie "Wer bin ich und mit wem begebe ich mich auf einen Weg? "

Fortsetzung folgt.

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Photo by Nicole Baster on Unsplash

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